Am 14.03.2023 hielt der FWG-Fraktionsvorsitzende Stefan Merx folgende Rede zur Verabschiedung des Haushalts des Jahres 2023 der Stadt Bedburg, dem die FWG-Fraktion zustimmte. Der Haushalt wurde im Stadtrat einstimmig beschlossen.
Wir befinden uns im Jahr 2023 nach Christus – das ganze Rheinische Revier wird vom Strukturwandel regiert. Das ganze Rheinische Revier? Nein! Eine von unbeugsamen BedburgerInnen bevölkerte Gemeinde hört nicht auf, der drohenden Bedeutungslosigkeit Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die Berufspolitikerinnen und Berufspolitiker, die als Strippenzieher in den befestigten Lagern Bergheim, Köln, Düsseldorf und Berlin sitzen.
Die drohende Bedeutungslosigkeit ist bitterer Ernst, interessieren sich Land und Bund nicht für unsere Stadt im Herzen des Rheinlands. So verhandelt ein Kinderbuchautor unter anderem, dass die Zeit für einen Strukturwandel um die Hälfte gekürzt und Wasserstoff in Katar eingekauft wird. So pumpt ein ehemaliger Landesvater Strukturwandelmittel in Pferdeställe und sein Nachfolger in schon durch Steuermittel finanzierte Gesellschaften. So verhindert eine Zukunftsregion Rheinisches Revier konkrete und zukunftsfähige Projekte. So spielt die genauso geldgierige wie überflüssige Kreisverwaltung ihre Spielchen und der Landrat zieht als „Sherriff von Bergheimingham“ den armen Kommunen das letzte bisschen Geld aus der Tasche. Und so beschäftigt sich die Bezirksregierung mit ihren eigenen Regionalplänen und sieht vor lauter Verwaltungsnebel nicht die Bedürfnisse und Möglichkeiten vor Ort.
Was soll es uns auch nützen? Beweist Bedburg doch selbst, dass das Sprichwort „Stillstand heißt Rückschritt“ sich oft bewahrheitet. Still ruhte das Zückerchen, nur um in abgespeckter Version aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen. Nicht einmal zum Namen „Zückerchen“ kann man sich trotz Kommission bekennen. Wochenlang passierte nichts am Reallabor Kolpingstraße, außer der Gründung einer Bürgerinitiative, und jetzt bleibt alles beim Alten. Das wochenlange Hin und Her, was mit den Abfällen unserer Bürgerinnen und Bürger geschehen würde, nahmen die Rheinländer wie gewohnt mit Humor. Das Thema Wasserstoff geistert im Nebel des Ungewissen umher. Dass Bedburg hier ein prädestinierter Standort ist, zeigt die jüngst veröffentlichte Wasserstoffpotentialstudie des Rhein-Erft-Kreises. Der Ausbau der Geschwister-Stern-Grundschule in Kirchherten beginnt nun endlich, nach jahrelangem Warten.
Ja, Flüchtlingswelle, Corona und Krieg haben bereits ihre Narben im Haushalt hinterlassen und auch jetzt stehen wir vor einer ungewissen Zukunft. „Auf Sicht fliegen“, wie es Bürgermeister Solbach immer predigt, klingt schön und gut, aber ganz ohne Ziel geht es nun einmal nicht.
Was sind denn die Ziele der Verwaltung? Ganz klar dürfen wir nicht wieder in ein Haushaltssicherungskonzept fallen. Streichen, Sparen und möglichst Einnahmen generieren, das kennen wir aber schon seit Jahren.
Eine Säule des HSK war immer der Verkauf nicht benötigter Gebäude. Die FWG hat dies wieder aufgegriffen. Ob es so weit kommt und welche Gebäude es schließlich betrifft, hängt von einer demokratischen Mehrheit ab. Am Beispiel der alten Schule in Kirchtroisdorf kann gezeigt werden, wie es funktioniert.
Wir streichen dieses Jahr die Musikmeile. Das ist eine schwere politische Entscheidung und Konsens.
Wir sparen nicht an Vereinen. Das ist eine einfache politische Entscheidung und Konsens.
Wir sparen dieses Jahr Grundsteuererhöhungen. Das ist eine vernünftige politische Entscheidung und Konsens – dank dem Warnschuss der FWG im vergangenen Jahr.
Dabei reden schlaue Leute doch von einer Zeitenwende – das Wort des vergangenen Jahres. Was nützt eine Zeitenwende, wenn diese auf allen Ebenen, zu allen Themen und von allen Verantwortlichen verschlafen wird?
Bestes Beispiel ist folgendes Zitat auf die Aufforderung der FWG, kurz nach Kriegsbeginn unseren Vertragspartner E.On für seine ablehnende Haltung zur Sanktionierung von Nord Stream 1 – das hat sich glücklicherweise auf andere Art erledigt, danke an den Sprengmeister – zu rügen: „Faktisch ist es jedoch wichtig, […], zügig und dabei besonnen unsere Energiewende zu betreiben, damit es künftig keinerlei energiepolitische Abhängigkeiten mehr gibt.“ S. Solbach. „Zügig und dabei besonnen“ ist eine Floskel für mangelnden Willen und fehlenden Tatendrang. Entschlossenes Vorgehen ist nicht nur im Kriege oder bei Lieferungen von Kampfpanzern gefragt, sondern erst recht bei der Umsetzung unserer eigenen vielfältigen und teilweise übergroßen Ziele.
Aber es werden uns auch Ziele auferlegt:
Bald kommt das Aus für Verbrennungsmotoren. Was bedeutet das für eine Pendlerstadt wie Bedburg? Mit zwei Dutzend öffentlichen Ladesäulen bei zweifelhafter Netzinfrastruktur ziehen Berufstätige wohl eher dahin, wo der ÖPNV gut funktioniert.
Bund und Land wollen Photovoltaik. Agri-PV steckt jedoch noch in der Forschungsphase und PV auf Dächern ist nicht gewollt oder nicht möglich. Daher sollen wertvolle Ackerflächen für eine Technologie genutzt werden, deren flächenbezogene Effizienz am schlechtesten ist. Dabei hat der Krieg beispielsweise gezeigt, dass Getreide ein Druckmittel in dieser Welt ist.
Ähnlich steht es um die Windkraft. Wenn Bedburg sich tatsächlich nur mit Wind- und Sonnenstrom versorgen möchte, fehlt mindestens das fünffache der erzeugten Energie. Und hier sind Speichertechnologien noch nicht einmal eingerechnet. Selbst unter Einbeziehung eines umfangreichen Ausbaus an Photovoltaik sind das mindestens 40 weitere Windkraftanlagen auf unserem Stadtgebiet. Wie gut, dass es ALEGrO und Tihange gibt.
Durch Klimawandel, Krisen, Konflikte und Krieg wächst der Flüchtlingsdruck auf Europa, Deutschland und schließlich auch Bedburg. Bedburg zeichnet sich durch eine außerordentliche Hilfsbereitschaft und Willkommenskultur aus. Hier gilt besonderer Dank denjenigen, die Flüchtlinge aufnehmen oder sich ehrenamtlich oder auch beruflich um Flüchtlinge kümmern. Dank Aufnahme von Flüchtlingen aus unserer Partnerstadt Mykolajev kann Bedburg an der Kriegsfront für Entlastung sorgen. Hier müssen auch wir unsere Unterstützung intensivieren, damit Russland besiegt werden kann.
Die Liste kann abendfüllend ergänzt werden, was zählt ist jedoch, die Übersicht zu behalten und Schwerpunkte in den einzelnen Bereichen zu setzen. Hindenburg sagte einst: „Eine Operation ohne Schwerpunkt ist wie ein Mann ohne Charakter.“ Für die FWG gibt es folgende Schwerpunkte in den unterschiedlichen Bereichen:
- Die Qualität der Schullandschaft kontinuierlich verbessern.
- Den Notfallschutz gewährleisten.
- Die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich entlasten.
- Das Ehrenamt als Grundlage unserer Gesellschaft fördern.
- Wohnraum schaffen.
- Die Nutzbarmachung erneuerbarer Energien angehen.
Stets von der FWG vorgelebt, hat nun auch die Verwaltung erkannt, dass Wahrheit, Klarheit und Transparenz durchaus gute Tugenden sind. Mit dem Entwurf der Haushaltssatzung 2023 hat die Verwaltung zudem gezeigt, dass man mit Vernunft und Augenmaß gute und realistische Arbeit machen kann, auch wenn es manchmal wehtut. Die fraktionsübergreifenden Diskussionen haben dies bestätigt – auch wenn hier eine ehemalige Arbeitnehmerpartei Vergünstigungen für die Angestellten der Stadt streichen wollte, eine vermeintlich christlich angehauchte Partei den Ausbau einer Schule, die sie noch vor wenigen Jahren schließen wollte, unterstützen möchte und eine ehemalige Umweltpartei nun lieber technische Anlagen aufstellt als Bäume zu pflanzen. Im Rahmen des Möglichen unter Berücksichtigung aller Beschwernisse kann die FWG gut mit dem Entwurf der Haushaltssatzung 2023 leben und wird diesem zustimmen. Wir bedanken uns bei der Verwaltung für die gute und kooperative Zusammenarbeit und dabei insbesondere Herrn Kämmerer Baum, dem stellvertretenden Kämmerer Herrn Brunken sowie dem Fachdienstleiter für Finanzen Herrn Eßer und seinem Team.